Liebe ist blind, und die falsche Art Liebe zieht dem, der blind liebt, die Haut ab. Aber anders will man es auch nicht haben. Man kennt die Geschichte, schmunzelt Roddy McKinnon.
Zusammen mit dem befreundeten Songwriter George Leitenberger hat er ein gemeinsames Album aufgenommen, das am 30. November beim Berliner Label Silberblick-Musik erscheint: Raw Love.
Es ist eine Platte, die als Vinyl knistern dürfte wie eine alte Jazzaufnahme aus den Fünfzigern. Sie ist stolz auf den ungeschminkten Sound ihrer Gitarren, freut sich am Klang des vibrierenden Holzes, der
ausklingenden Saite. Es ist eine Platte, die nicht perfekt sein will, aber genau richtig. Eine Platte, die atmet und lebt, die keinen Bock mehr auf ein falsches Lächeln hat. Ganz einfach zwei
Männer, zwei Sprachen, ihre liebsten Gitarren und das was sie im Innersten bewegt.
Das mag jetzt ganz schön pathetisch klingen und würde es auch zurecht tun, wenn die beiden dieses Versprechen nackter Ehrlichkeit nicht auch einlösen würden. Musik machen McKinnon
und Leitenberger, beide in ihren Fünfzigern, ja schon seit Jahrzehnten. Nicht, daß es vorher großartig anders um ihre Einstellung bestellt gewesen wäre, nur daß es dieses
Mal nicht selbstverständliches Nebenbei, sondern Programm sein sollte. Bei den Möglichkeiten der heutigen Technik ist die vielleicht größte Versuchung,
erzählt Leitenberger: die Überproduktion. Nichts einfacher, als Songs aufzublasen. Unzählige tolle Songs hören sich im Wohnzimmer oder im Proberaum klasse an und
scheitern im Studio dann grandios.
Um gar nicht in die Gefahr zu kommen sich zu verzetteln, buchte Produzent Andreas Albrecht (u.a. auch für Maurenbrecher oder Lüül an den Reglern) lediglich fünf Tage in den Ufo-Sound-Studios in Berlin, um komplette 14 Lieder aufzunehmen. Die meisten Songs auf dem
Album sind first takes, schwärmt Leitenberger, mit all den Rumplern und Unperfektheiten, aber mit der richtigen Magie. Roddy und ich, wir lieben das! Der passenden
Atmosphäre wegen wollte Leitenberger in Berlin aufnehmen, seiner Heimat der Achtziger und Neunziger Jahre. Hier spielte er sich solo und mit seiner Band The Finebeckers durch Clubs wie SO36,
Tacheles oder Niagara, hier nahm er 1996 auch sein erstes Soloalbum auf. Und mit McKinnon zusammen hatten sie hier schon zu seinem letzten Album Autovia Konzerte gegeben: Berlin just
felt like the right place to be.
Gefunden hatten sich die beiden 2013 in einer Künstlerkolonie am Genfer See, wohin das Leben beide Arbeit und Liebe wegen verschlagen hatte. Ein Schotte und ein Deutscher in der
französischsprachigen Schweiz. Beide waren vom musikalischen Background des jeweils anderen fasziniert: McKinnons Rock'n'Roll, Punk-Rock und Bluesbegeisterung, sein trockener, klischeefreier
Gitarrenstil. Er tourte die 80er und 90er hindurch als Gitarrist verschiedener Punkrockbands durch Großbritannien und die USA. Auf der anderen Seite Leitenbergers Brecht/Weill-Affinität,
der Delta-Blues, das Schräge, zuweilen frontal Kritische, aber auch zugleich Romantische. Nach einigen gemeinsamen Gigs wurde schnell klar, dass die beiden gemeinsame Wege gehen werden, mit dem
Ziel, in ihrer Art einzigartige Songs zu schreiben und zu spielen. Soeben geschehen: auf Raw Love.
Hommage an Andreas Schmidt
Auf dem Album findet sich, quasi als Bonustrack, auch eine ganz spezielle Hommage an den kürzlich verstorbenen Berliner Schauspieler Andreas Schmidt, der seit seinem Erfolg mit dem Film
Sommer vorm Balkon oft als echter, ehrlicher Typ von der Kinoleinwand grinste. Zusammen mit Leitenberger teilte er sich einst eine Wohnung in Berlin. Damals arbeiteten beide für Film und
Theater. Dass Schmidt selbst auch Lieder schrieb, war wenig bekannt. Leitenberger hat jetzt eins der letzten Lieder seines Freundes vertont und dafür auch einige Wegbegleiter mit ins Studio
geholt: Wir hatten einen Riesenspaß im Studio, seinen Song ´Wenn harte Männer weinen´ im Studio auf eine Art aufzunehmen, von der wir überzeugt sind,
daß sie ihm gefallen hätte: als musikalische Sause mit Chor, Sax, Hammond und Schlagzeug!
Der in Glasgow geborene Roddy McKinnon tourte bereits Anfang der Achtziger Jahre mit einigen lang vergessenen Rockbands durch Schottland, Irland, England und die USA. Vor einigen Jahren
verlegte er seinen Standort nach Genf, wo seine Karriere bei einem internationalen Verlag ihm wie ein komfortables Hochschalten vorkam. Doch die Musik ließ ihn nie los. Als er in Genf mit
George Leitenberger auf einen neuen musikalischen Partner traf, ergab sich auch für seine langjährige Rolle als Sideman eine Veränderung. Er fand seinen Weg ans Mikro und wurde zu
einem eigenständigen Singer/Songwriter mit unverwechselbarem Gitarrensound und ernstzunehmenden Texten.
George Leitenbergers erstes Album erschien 1996 und versetzte den damals gerade erst gegründeten deutschen Ableger des Rolling Stone Magazins in Verzückung: Formidabel!
Leise Töne mit Charme und Tiefgang. Vom Englischen begibt er sich ins Deutsche, um fortan die Sprachgrenzen ständig zu überqueren, so wie er das auch im Leben macht. Leitenberger
wächst in Deutschland auf, lebt viele Jahre in Berlin, im Remstal, in Frankreich, in London und seit 2003 am Genfer See. Er schreibt hellwache Lieder auf englisch, deutsch und
französisch, aus denen Folk, Blues und Jazz schimmern, berichtet Le Courrier aus Genf. Sein letztes Album Autovía erschien Ende 2016. Autor Johannes Paetzold besprach die CD für
MDR Kultur: ... dieses Album evoziiert Springsteen in seinen akustischen Momenten, J. J. Cale, Stephan Eicher aus Leitenbergers neuer Heimat - und ist gleichzeitig
tiefpersönlich.
Folkmagazin | Rezensionen | Heft 345 im Oktober 2019
Schwarze Töne eines bitteren Humors,
malen laut Folkmagazin die Lieder des "Raw Love" Albums: Die makaberen Lieder von Leitenberger und die Dichtung sind düster, surrealistisch (...) Ein Schotte und ein
Deutscher bringen mit ihrer Musik vielen Freude.
Folk World | Rezension | 05.04.2019
A couple of the songs (...) just may lift you to a magical place.
Begeisterte Rezension von David Hintz: Intriguing to say the least.
Eine schicker Soundtrack für die Marlboro-Romantik eines modernen Weltenbummlers,
schreibt Autor Willi Scheiner: Zwei Männer in ihren Fünfzigern, die nach dem Echten, Wahren, Rohen und Unverfälschten suchen und es in tollen Gitarrensounds zu finden
hoffen.
Köpfchen | Kais kleine Klangkörper-Kolumne | Februarausgabe 2019
(...) eine sehr intensive, außerordentlich hörenswerte Duo-CD
hört Kai Engelke in seiner Musikkolumne im Mitteilungsblatt der Arbeitgemeinschaft Burg Waldeck e.V.: Textinhalte und musikalische Umsetzung kommen meist entspannt und
fließend daher, dennoch ist fast durchgehend so etwas wie eine düstere Bedrohung zu spüren, als liege latent ein Unheil in der Luft. Ist ja tatsächlich nicht weit von der
Wirklichkeit entfernt.
(...) zwölf zeitlos ruhige Songs auf deutsch und englisch irgendwo zwischen bester Folk-Folk-Tradition und intelligenter Liedermacherei,
hört Kulturredakteur Steffen Radlmaier: Der Songpoet George Leitenberger und der Rockgitarrist Roddy McKinnon haben keine Lust mehr für falsche Gefühle und große
Posen.
Etwa drei Stunden dauert das Konzert von George Leitenberger und Roddy McKinnon am Freitag im Kulturkonsum. Doch die sind so schnell vorbei, dass das Publikum noch um einige Zugaben
bittet. Und als der Schotte Roddy die Gitarre wegstellt und mit geschlossenen Augen ein Liebeslied singt, als würde er jedes Wort im ganzen Körper spüren, weiß so mancher Gast,
dass dies ein einzigartiges Konzertereignis war, schwärmt die Märkische Oderzeitung über den Gig in Oranienburg am 30.11.
Wenn man nach einem Begriff für die gemeinsame Basis sucht, könnte man ihre Musik als „Art Folk“ bezeichnen. Immerhin treffen hier raubeiniger Punk,
bierseliger Rock, dreckiger Blues und balladeske Chansons aufeinander, gesungen in verschiedenen Sprachen. Songs zum Hinhören, Songs zum Tanzen...
For us it´s everything: the unknown, the terifying, the beautiful, the daily, the dream - it´s all sorts of love, erklärt Roddy McKinnon im Interview den Titel des
Albums: Raw Love. Wir wollten einfach diesen rohen Sound wieder, wie wir ihn früher beide hatten, ergänzt George Leitenberger. Zusammen spielen sie das Lied
"Grabwärts" live.